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Meine Silvesterreise führte mich dieses bzw letztes Jahr den Rhein entlang gen Süden. Vorbei an der singenden Lorelei, an kleinen Häuschen, die sich an große Berge schmiegten, die französischen Grenze entlang bis Basel und von dort weiter bis nach Zürich. Warum die Stadt besonders für Vegetarier sehr interessant ist, wo es die besten Cocktails gibt und welche Orte ich euch sonst noch ans Herz legen kann, erfahrt ihr hier.

Schlafen in einem Meer aus Orchideen
Nachdem wir uns mit den Koffern durch die Schneeberge von Wipkingen gekämpft hatten, vorbei an kreischenden Kindern, die mit ihren Schlitten kleine, steile Straßen hinunter rodelten (ich war kurz versucht, mich einfach auf meinen roten Hartschalenkoffer zu setzen und es ihnen gleich zu tun), erreichten wir das Apartment von Alberto, welches wir fünf Tage unser Zuhause nennen durften. Ein sehr gemütliches Zuhause, das ich gerne weiterempfehle! Die Wohnung war hell und geräumig, in der Küche gab es einen hoher Tisch über dem allerlei spannende Postkarten und Poster hingen – unser Host schien kulturell vielseitig interessiert zu sein. In den Räumen verteilt, stieß wir immer wieder auf Bücherstapel, die verrieten, dass Alberto vermutlich als Architekt arbeitet. Das Einzige, was so gar nicht zum sonst modern-minimalistisch-aber-gemütlichen Stil der Wohnung passte, war die Bettwäsche: Die weiße Bettdecke war von innen eingeschlagen mit einem Laken in wildem Orchideenmuster. Die gleiche Optik hatte das Bettlaken und auch die Kissen wurden von großen lilanen Oricheenblüten gezieht :D

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Auf ein Bier mit Che Guevara
Die Silvesternacht verbrachten wir mit einer bunt gemischten Gruppe aus Locals und Couchsurfern in der Bar “El Lokal“. Über zwei Etagen erstreckt sich hier ein buntes Meer aus Postern, Fotos, Postkarte und mexikanischen Skulpturen. Es wurde viel geredet (auf Englisch, Deutsch und Schwizerdütsch) und Bier getrunken. Das Feuerwerk haben wir uns gemeinsam am Zürichsee angeschaut. Was etwas irritierend ist: Das Feuerwerk startet nicht um Mitternacht sondern um 0:20Uhr – etwas gewöhnungsbedürftig, wenn man sich pünktlich um Zwölf um den Hals fällt und sich ein “Frohes Neues” wünscht und dann aber noch 20 Minuten warten muss, bis es kracht ;) Was aber ganz cool war: Dass rund um das Seebecken alle Lichter gelöscht wurden, bevor das Feuerwerk los ging. Leider habe ich das bunte Funkeln am Himmel hauptsächlich durch hunderte von Handy-Bildschirmen betrachten dürfen, welche beim ersten Knall just gezückt wurden und von einigen Vollidioten bis zum Ende des Spektakels (15 Minuten lang!) nicht mehr abgesetzt wurden. Ich halte Momente ja auch gerne fotografisch oder filmisch Fest – aber ab und an sollte man den Augenblick auch einfach mal in real genießen können.

Meine Silvester-Fotoreihe besteht daher aus “dem Tag danach” ;)

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Wie findet man Orte abseits der Touristenrouten?
Ich gebe zu: ich bin süchtig nach Reiseführern. Ein ganzes Regalbrett in meinem Zimmer ist voll davon und bisher war es vor jeder Reise mein festes Ritual, in eine Buchhandlung zu gehen und mir einen Reiseführer zu kaufen. Diesmal lief das etwas anders ab. Das hatte einerseits mit meiner neuen Arbeitskollegin Sabrina zu tun, die mir sofort erzählte, dass sie schon zahlreiche Male in Zürich gewesen sei, weil der Bruder ihres Freundes dort leben würde. Und besagter Bruder war dann auch so nett, mir eine ganze A4 Seite mit Sightseeing-, Restaurant-, Bar- und Party-Tipps zusammenzustellen. Zusätzlich machte ich mich gezielt auf die Suche nach coolen Blogs über Zürich.

Und ich wurde fündig: Das Fashion Label “BIG Nur Zürich” betreibt den schönen Blog “Big is Zürich“, der voll von inspirierenden Orte und schönen Fotos ist. Sehr reizvoll fand ich auf Anhieb das Restaurant BEBEK – sowohl aufgrund des spannenden Interior Designs (unglaublich hohe, grob verputzte Wände, mit grafischen Elementen bespielt und große goldene Lampen, die wie ein auf den Kopf gestelltes Lagerfeuer wirken) als auch aufgrund der vielfältigen Speisekarte. Besonders zu empfehlen: mit einer größeren Gruppe hingehen (vorher am besten reservieren), viele kleine Meze-Teller bestellen (Tapas auf orientalisch) und dann nach herzenslust alles durchprobieren.

Ein weiterer schöner Blog ist my friend from zurich: Alles, was man schon immer über Zürich wissen wollte kann man hier fragen und der nette “Freund aus Zürich” beantwortet die Fragen in seinen Posts. Inwiefern die Fragen wirklich gestellt wurden, weiß ich natürlich nicht, aber den Grundgedanken gefällt mir :)

Zwischen Basilikum-Schaum und grinsenden hawaiianischen Bechern
Aus der Liste der empfohlenen Cocktailbars pickten wir uns das Raygrodski heraus – benannt nach der revolutionären Schweizer Ärztin und Sexualreformerin Paulette Brupbacher-Raygrodski, die sich im Zürich der 20er Jahre um die Aufklärung der Arbeiterschaft kümmerte und in ihrer Arztpraxis auch finanziell schwache und notleidende Patienten versorgte sowie politische Flüchtlinge und Oppositionelle. Die gleichnamige Cocktailbar hatte einen ganz eigenen Charme: Ein überschaubarer Raum mit gemütlichen Chesterfield Sofas, Sesseln und Barhockern. Über der Bar ein großes robustes Gitter, von dem diverse Alkoholika herabbaumeln. Die Cocktails sind unglaublich lecker und unglaublich teuer – Schweizer Preise halt. ^^

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Ein weiteres Highlight für mich als Streetart Liebhaberin war das Street Art Archive, auf das ich ebenfalls durch den “netten Freund aus Zürich” stieß. Wer hätte gedacht, dass Zürich auch streetarttechnisch einiges zu bieten hat? Ich nicht. Über die Website des Street Art Archives kann man sich sogar eine App herunterladen, die einen auf drei ausgewählten Routen an legalen Street Art Wänden vorbei führt und verspricht, dass die Spaziergänge außerdem die größtmögliche Chance bieten, auch illegale Street Art zu entdecken – auch wenn die Stadt Zürich sehr hinterher ist, diese “Schmiereien” schnellstmöglich wieder zu entfernen.

Eine der Street Art Routen führte uns zur Roten Fabrik, die direkt am Zürichsee liegt und Bühne für ein vielfältiges kulturelles Angebot ist. Die Außenfassade zieren Street Artworks in unterschiedlichsten Stilen:

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Rote Fabrik am Zürichsee

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Rote Fabrik am Zürichsee

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Rote Fabrik am Zürichsee

An einem Tag haben wir zusammen mit Ira und Anni auch ein bisschen “typisches Sightseeing” betrieben. Unsere Tour startete an der Polybahn, mit der man hoch zur ETH (Eidgenössische Technische Hochschule Zürich) fahren kann. Eine mächtiges altes Bauwerk von dessen Terrasse aus man einen schönen Blick über die Dächer von Zürich hat:

 (vermutlich ist der Blick noch um einiges schöner, wenn es nicht so diesig ist, wie das bei uns an fast allen Tagen der Fall war)

vermutlich ist der Blick noch um einiges schöner, wenn es nicht so diesig ist, wie das bei uns der Fall war ;)

Wir sind ein bisschen durch die kleinen Altstadtgässchen gelaufen, vorbei am Cabaret Volaire (ich mag diesen Namen irgendwie) und an einigen skurrilen Tieren, verstorbenen Komponisten und kleinen Käsebergen…

… bis uns der permanente Regen fast komplett durchnässt hatte… und wir dann lieber mit der Bahn ans andere Ende der Stadt zum Prime Tower gefahren sind, um in der Clouds Bar im 35. Stock einen Kaffee zu trinken. Die Bar hat mich aber ehrlich gesagt nicht so besonders angesprochen. Viel cooler fand ich den Freitag Tower, der nur eine Ecke weiter war – der Flagship Store des gleichnamigen Taschenherstellers, bestehend aus aufeinander gestapelten bunten Containern:

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Gleich neben dem Tower befindet sich Frau Gerolds Garten. Ein wunderbar alternatives Areal, das von Künstlern mitgestaltet und stetig verändert wird. Es gibt eine Sonnenterasse mit Restaurant und Bar, einen eigenen Nutzgarten mit vielen frischen Kräutern und einen kleinen Markt, wo junge Kreative Design und Fashion verkaufen. Wenn ich irgendwann nochmal im Sommer in Zürich sein sollte, muss ich hier unbedingt nochmal vorbeischauen!

Fazit
Zürich, du hast mich nicht überzeugt ;) Ein paar spannende Sachen konnte ich zwar ausfindig machen, aber insgesamt gesehe, ist mir die Stadt zu neutral, zu unspektakulär, zu ruhig, zu farblos, zu geordnet und zu traditionell. Sie ist wie ein ruhiger umgänglicher Nachbar, der einen nicht stört, von dem man aber auch nicht viel weiß. Bei dem es mich aber auch nicht reizt, ihn näher kennenzulernen ^^ Aber vielleicht lang’s auch einfach an dem regnerisch nass-kalten diesigen Wetter, das die Stadt und die Berge in eine undurchdringlichen Schleiher hüllte. Im Sommer ist Zürich wohlmöglich ganz anders! ;)

Was mich allerdings sehr positiv überrascht hat: wie viele vegetarische und vegane Restaurants es in Zürich gibt und mit welcher Selbstverständlichkeit hier die verschiedensten Menschen essen gehen. Vegetarismus hat hier nichts mit einer politisch-sozialen Grundeinstellung zu tun, so wie mir das bei uns in Deutschland oft vorkommt. Es ist einfach Normalität und sehr verbreitet. In Zürich gibt es übrigens auch das älteste vegetarische Restaurant der Welt! Hiltl heißt es. Man kann à la Carte bestellen oder sich seinen Teller nach Lust und Laune am Buffet befüllen (die Auswahl an vegetarischen und veganen Speisen ist riesig und lecker). Auch gut hörte sich Elle’n’Belle an (veganes Restaurant) – da hab ich’s leider nicht hin geschafft … aber vielleicht ja ihr?!

Ein weiterer Tipp: Im Kafischnaps frühstücken gehen!! Für Züricher Preise absolut erschwinglich, lecker und unglaublich gemütliche Atmosphäre :) Wer mag, kann auch gleich über Nacht bleiben – es gibt nämlich auch 5 Gästezimmer. Jedes der Zimmer wurde von einem Züricher Designer im Stil einer Schnapsfrucht eingerichtet: Williamsbirne, Zwetschge, Kirsche, Pflaume und Quitte :D … Die spinnen, die Schweizer! ;)

Ach ja… und dann soll es noch unglaublich leckere Waffeln und Pfannekuchen im Gasthaus zum Guten Glück geben. Leider waren wir zu spät dran und die Küche hatte schon geschlossen ;( … aber vielleicht kann ich mit meinem Tipp ja den ein oder anderen Zürich Besucher von Euch glücklich machen.